Endometriose: Eine unsichtbare Krankheit!
Endo – was? Endometriose ist eine chronisch inflammatorische und die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung bei Frauen. Pro Jahr werden bis zu 40.000 Neuerkrankungen verzeichnet und etwa jede zehnte Frau ist betroffen. Und doch ist Endometriose erschreckenderweise noch ziemlich unbekannt, wirft bei neu diagnostizierten Patientinnen zunächst viele Fragezeichen auf und wird in der Gesellschaft bisher zu wenig wahrgenommen. Häufig stoßen Betroffene auf Unverständnis, da die Krankheit nach außen meist nicht sichtbar ist.
Was passiert bei Endometriose im Körper?
Gebärmutterähnliches Gewebe befindet sich außerhalb der Gebärmutter und bildet sogenannte ‚Endometriose Herde‘. Diese verwachsen an verschiedenen Organen, wie beispielsweise an der Gebärmutter, im Becken, an der Blase, dem Darm, dem Zwerchfell, an den Eierstöcken und in seltenen Fällen auch an Lunge, Leber oder sogar im Gehirn, mit dem dortigen Gewebe. Dadurch werden oft Verklebungen und Entzündungen ausgelöst, welche in der Folge häufig mit Schmerzen einhergehen. Die Endometriose Herde reagieren im Einklang mit dem regulären Monatszyklus zum Zyklusbeginn, also der Menstruation. Jedoch kann dieses Blut nicht abfließen, bleibt im Körper und bewirkt die Entstehung der sogenannten ‚Schokoladenzysten‘. Endometriose wird als ‚medizinisches Chamäleon‘ bezeichnet. Oftmals äußert sie sich mit verschiedensten, vielgestaltigen Symptomen und eine Diagnosestellung ist unter Umständen schwierig. Insbesondere nach einigen ungewissen Jahren ohne Diagnose sind die ersten Symptome nicht mehr klar zu identifizieren. Häufig wird die Ursache der Schmerzen dann nicht mehr im Ausgangspunkt des Unterleibs und somit durch den:die Frauenarzt:Frauenärztin gesucht, sondern bei anderen spezialisierten Ärzten:Ärztinnen, wie z.B. bei Orthopädiepraxen aufgrund der starken Rückenschmerzen. Nicht selten folgt eine lange Reise über verschiedenste Ärzte:Ärztinnen ohne das Auffinden der Ursache. Im Durchschnitt dauert es sechs bis zehn Jahre, um zu der Diagnosestellung einer Endometriose zu gelangen. Für viele Frauen ist die finale Diagnose eine Erleichterung nach Jahren der Ungewissheit. Es ist dennoch auch möglich, dass betroffene Frauen nicht unter Schmerzen leiden und eine Endometriose gar nicht oder zufällig diagnostiziert wird. Es existiert kein Messinstrument für Endometriose und im ersten Schritt sind Schmerzen, insbesondere starke Regelschmerzen, oftmals der einzige Hinweis. Das Auftreten der Schmerzen, durchaus über den Unterleib hinaus ausstrahlend in andere Körperregionen oder sogar in den gesamten Körper, erfolgt abhängig und unabhängig vom Zyklus. Die betroffenen Frauen schildern häufig vor und während ihrer Menstruation Unterleibs- und Rückenschmerzen, welche oftmals auch in die Beine ausstrahlen. Ergänzend können unregelmäßige und starke Regelschmerzen und -blutungen sowie Schmerzen beim oder nach dem Sex, bei gynäkologischen Untersuchungen, im Darm oder der Blase auftreten. Damit einhergehende Symptome können bei mehr als der Hälfte der von Endometriose betroffenen Frauen in der Folge Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Kopfschmerz, Schwindel und Depression sein. Dadurch werden der Alltag und auch das Berufsleben stark beeinflusst und das Leben der betroffenen Frauen wird häufig unplanbar. Viele Termine, Verabredungen und Veranstaltungen müssen aufgrund dessen abgesagt werden. Um Endometriose zu diagnostizieren, sollte zunächst eine ausführliche Untersuchung durch den:die Frauenarzt:Frauenärztin oder alternativ auch direkt durch zertifizierte Endometriose Praxen, Kliniken oder Zentren erfolgen. Hierfür ist im ersten Schritt ein Schmerztagebuch sinnvoll, um Beobachtungen zu den Zeitpunkten und Situationen, in welchen die Schmerzen auftreten, festzuhalten und anschließend einen Zusammenhang mit dem Zyklus zu untersuchen. Bei einem möglicherweise aufkommenden Verdacht auf Endometriose sind verschiedene Folgeschritte sinnvoll. Nach einem Anamnesegespräch erfolgt eine gynäkologische Tast- sowie eine Ultraschall- oder MRT-Untersuchung. Jedoch ist die einzig sichere Diagnosestellung ein operativer Eingriff in Form einer Bauchspiegelung (Laparoskopie).
Endometriose kommt selten allein
Neben den häufigen Leitsymptomen wird Endometriose von verschiedenen Begleiterkrankungen heimgesucht. Hierunter zählen in großer Verbreitung Darmerkrankungen, Allergien, Intoleranzen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Auswirkungen auf das Herz sowie Muskel- und Skelettsystem oder auch psychische Veränderungen und Auswirkungen auf die Sexualität.
Kann man mit Endometriose schwanger werden?
Definitiv besteht grundsätzlich auch mit Endometriose die Möglichkeit einer unkomplizierten und problemlosen Schwangerschaft. Jedoch verbirgt sich hinter über 50 Prozent der ungewollten Kinderlosigkeit die Endometriose als Ursache. Durch Verklebungen, Verwachsungen, große Endometriose Zysten oder auch Eileiterverschlüsse kann eine durch die Endometriose ausgelöste Unfruchtbarkeit entstehen. Doch auch in diesen Fällen gibt es hoffungsvolle Ansätze. Eine Schwangerschaft und Endometriose schließen sich nicht aus. Neben den Möglichkeiten von hormonellen oder operativen Therapien, gibt es weitere Behandlungsoptionen in Kinderwunschzentren im Rahmen von assistierten Reproduktionen. Fakt ist jedoch auch, dass es durch Endometriose häufiger zu Komplikationen während der Schwangerschaft kommen kann und beispielsweise das Risiko für Eileiterschwangerschaften oder Fehlgeburten erhöht ist.
Wichtig ist hier unbedingt das Einhalten der regelmäßigen Kontrolltermine bei einem:einer Frauenarzt:Frauenärztin oder einer Hebamme.
Welche Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten für Endometriose gibt es?
Auch wenn Endometriose bisher nicht heilbar ist, gibt es vielzählige Behandlungsmöglichkeiten, die die Leiden lindern können. Jedoch ist es wichtig zu verstehen, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausprägungen und Beschwerdebilder der Endometriose keine allgemeingültige Therapieempfehlung oder Vorgehensweise ausgesprochen werden kann. Jede betroffene Person setzt unterschiedliche Schwerpunkte, Ziele und sieht verschiedene Optionen für sich selbst als mach- und umsetzbar an. Daher sollte jede Betroffene ihren eigenen, ganz individuellen Therapieweg für den Umgang mit Endometriose finden, welcher in vielen Fällen aus Ausprobieren, Experimentieren und Recherchieren besteht.
Zunächst ist eine ärztliche Behandlung sehr wichtig und auch hier ist die Wahl abhängig unter anderem vom eigenen Beschwerdebild sowie Therapievorstellungen. Um auf Endometriose spezialisierte Experten:Expertinnen zu finden, sind zum Beispiel die Endometriose-Vereinigung Deutschland, die Stiftung Endometriose-Forschung oder auch die Europäische Endometriose – Liga gute erste Anlaufstellen. In diesen Selbsthilfe- und ärztlichen Organisationen werden unter anderem viele Hintergrundinformationen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es diverse Selbsthilfegruppen, Beratungsmöglichkeiten und -stellen sowie auch Übersichten über Spezialisten:Spezialistinnen und ca. 100 medizinische Endometriose Zentren allein in Deutschland. In letzteren treffen Fachleute mit unterschiedlichen Hintergründen und Gebieten aufeinander und insbesondere dadurch ist es durch ausführliche Beratungs- und ärztliche Gespräche möglich, die individuellen Therapievorstellen zu besprechen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten, aus welchen ein explizit zugeschnittenes interdisziplinäres Behandlungskonzept entstehen kann. In den meisten Fällen erfolgt eine Endometriose Behandlung nicht nur durch den:die Gynäkologen:Gynäkologin, sondern es werden viele verschiedene Fachrichtungen hinzugezogen. Es gibt verschiedene therapeutische Behandlungsansätze für Endometriose. Hierunter zählen beispielsweise eine operative Therapie durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie), bei welcher durch kleine Stellen im Bauch eine mögliche Endometriose festgestellt und dabei auch direkt Herde, Zysten, Verklebungen, Verwachsungen bestmöglich verödet und entfernt werden können. Auch ist es möglich durch Schmerzmedikamente in Form einer Schmerztherapie die Endometriose bzw. die Schmerzen zu behandeln. Eine weitere Option ist eine Einnahme von Hormonen und Gestagenen, welche einen Schleimhautaufbau verhindert und am Zyklusbeginn keine Blutung stattfindet bzw. diese unterdrückt wird. Unbekannt ist vielen betroffenen Frauen, dass es mit einer Endometriose Diagnose möglich ist, eine Reha zu beantragen. Hierfür müssen bestimmte Anträge ausgefüllt werden sowie ein Begleitschreiben eines:einer Arztes:Ärztin beiliegen. In den einzelnen Rehakliniken gibt es ähnliche Behandlungsangebote sowie Therapiekonzepte, wie z.B. physio-, ergotherapeutische und psychologische Therapiemaßnahmen, eine intensive gynäkologische und fachärztliche Betreuung, spezifische Ernährungsberatung für Endometriose und auch Entspannungstherapien. Das übergeordnete Ziel eines Reha Aufenthalts einer Endometriose Patientin ist es, durch eine Förderung der Lebensqualität den Körper und die Seele zu stabilisieren. Es gibt die Möglichkeit, über die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. zu den einzelnen, auf Endometriose spezialisierte und zertifizierte Rehakliniken Infoflyer anzufordern. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene komplementäre Behandlungsoptionen für Endometriose, bei welchen vordergründig das Ziel verfolgt wird, ein psychisches und physisches Wohlbefinden der Patienten (wieder) herzustellen sowie eine Linderung der Symptome zu erlangen. Viele Betroffene berichten positiv von sportlicher Bewegung, Achtsamkeitsübungen sowie Stressreduktion durch gezielte Entspannung, wie beispielsweise durch autogenes Training oder auch progressive Muskelentspannung. Es gibt auch viele unterschiedliche Yogaformen. Insbesondere Yin Yoga wirkt besonders beruhigend und lindernd bei Schmerzen. Vorsicht ist jedoch bei Hormonyoga geboten – diese Yogaform ist bei Endometriose umstritten. Durch Massagen oder durch manuelle Therapie, Krankengymnastik oder Beckenbodentraining können im Rahmen von Physiotherapie Verspannungen der Muskeln und Verklebungen der Faszien gelöst werden, so dass insbesondere die hohen Spannungsverhältnisse im Beckenboden bei Endometriose reduziert werden. Durch Bindegewebs- sowie Fußreflexzonenmassagen wird unter anderem der Darm beruhigt, die Verdauung angeregt und Blähungen gelöst. Bei Osteopathen:Osteopathinnen, Heilpraktikern:Heilpraktikerinnen sowie Therapien im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werden vielzählige weitere ergänzende Therapiemöglichkeiten angeboten. In der Naturheilkunde finden sich viele Heilpflanzen wieder, welche sich positiv auf Endometriose auswirken. Zu den gängigsten zählen eine Teekombination aus Himbeerblättern und Frauenmantel, welche insbesondere in der Zeit der Regelblutung eine heilende und schmerzlindernde Wirkung entfalten kann.
Kann ich Endometriose durch Ernährung beeinflussen?
Zwar kann eine Endometriose nicht durch Ernährung geheilt werden, jedoch leiden vielen Frauen mit Endometriose an Allergien, Intoleranzen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, welche häufig auch erst zeitverzögert auftreten. Auch hier ist jede Betroffene individuell und es gilt sich ein bisschen auszuprobieren, zu testen und zu beobachten, welche Wirkungsweisen die Lebensmittel auf den Körper haben und herauszufinden, was individuell guttut. In jedem Fall ist es sinnvoll, die Ernährung Endometriose-spezifisch auszurichten, denn auf diese Weise können Beschwerden gelindert werden. So gibt es Nahrungsmittel, wie z.B. rotes Fleisch, zu viel Zucker oder teilweise auch Weizenprodukte, welche die Entzündungsparameter in unserem Körper erhöhen und da es sich bei Endometriose um eine inflammatorische Krankheit handelt, ist ein Verzicht auf ebendiese sinnvoll. Auf der anderen Seite gibt es auch Lebensmittel, welche ganz bewusst konsumiert werden sollten, da diese die Verdauung, das Immunsystem und auch das Wohlbefinden positiv unterstützen, so z.B. Ingwer, Gemüse oder auch Omega-3-Fettsäuren. Insgesamt ist es bei hormonellen Beschwerden wichtig, eine ausgewogene Ernährung zu verfolgen sowie ausreichend zu trinken – insbesondere während der Regelblutung.
Aufklärung über Endometriose ist wichtig
Zum aktuellen Zeitpunkt ist Endometriose in unserer Gesellschaft noch nicht etabliert und viele wissen mit dieser Krankheit nichts anzufangen und in der Folge stoßen viele Betroffene auf Unverständnis. Und das, obwohl die Prozentzahl der Frauen im reproduktionsfähigen Alter, welche unter Endometriose leiden, bei ungefähr 5 bis 15 % liegt. Dabei ist es sehr wichtig, dass Endometriose-typische Schmerzen und Beschwerden insbesondere bereits in jungen Jahren ernst genommen und untersucht werden, so dass in der Folge die Lebensqualität sowie die Fertilität dieser jungen Frauen bei Bedarf im Rahmen einer adäquaten Schmerztherapie, Untersuchungs- und Beratungsmaßnahmen begleitet wird. Eine neuseeländische Studie (Menstrual Health and Endometriosis Education Programs) stellte fest, dass bereits die Aufklärung von Schülerinnen im jungen Alter zu einer Verkürzung der Diagnosefeststellung ab Auftreten der ersten Symptome führt. Vor Kurzem kündigte Frankreich einen nationalen Plan gegen Endometriose an und der französische Präsident Macron sprach sich dafür aus, mehr Geld in die Forschung, Aufklärung und Behandlung von Endometriose fließen zu lassen und wolle eine nationale Strategie gegen die chronische Krankheit aufrufen.

Dieser Beitrag wurde verfasst von Eva von Schoenaich-Carolath
Eva hat einen Hintergrund als Ballett- und Tennis-Leistungssportlerin, ist eine international zertifizierte Yoga- und Meditationslehrerin und liebt als angehende Yogatherapeutin das Zusammenspiel von Bewegung, Körper, Herz und Verstand. Durch Yoga möchte sie individuelle Praktiken und Wege aufzeigen, um den Atem und den Körper bewusst wahrzunehmen und diese achtsam und gesund zu verbinden und um Atem und Bewegung im Einklang fließen zu lassen. Eva leidet zudem selbst unter Endometriose und möchte für dieses wichtige Thema bewusst Awareness schaffen.
Quellen:
https://www.endometriose-vereinigung.de
https://www.gbe-bund.de/gbe/
https://www.endometriozisdernegi.org/konu/dosyalar/pdf/makale_ozetleri/Mart2017/makale3.pdf
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4999325/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2941592/