Darmgesundheit & Kinderwunsch - Experten Interview mit Dr. Eva Maria Hoffmann-Gombotz
Die faszinierende Welt der Mikroorganismen ist mit freiem Auge nicht zu erkennen und doch hat sie einen wahnsinnig großen Einfluss auf uns. Vor allem das Mikrobiom des Menschen ist für die Forschung schon seit langem von großem Interesse. Immer öfter kommt beim Thema Kinderwunsch in letzter Zeit auch das Thema Darmgesundheit als maßgeblich beeinflussender Faktor zur Sprache. Um der Sache auf die Spur zu gehen und einen tieferen Einblick in dieses spannende Thema zu erhalten, haben wir mit Dr. Eva Maria Hoffmann-Gombotz, einer Expertin auf diesem Gebiet, gesprochen und sehr aufschlussreiche Antworten auf unsere Fragen erhalten.
Du bist ja Expertin auf dem Gebiet der Darmgesundheit. Wie bist du dazu gekommen? Erzähl uns doch ein wenig von deinem Werdegang.
Ich bin Mikrobiologin, habe an der medizinischen Universität in Graz promoviert und dort auch viele Jahre in der Darmkrebsforschung gearbeitet. Rückblickend kann ich sagen, der Darm hat mich immer schon sehr fasziniert. Vor allem die Fragestellungen, was es denn braucht, um den Darm – unser Zentrum der Gesundheit – fit zu halten. So habe ich die Fronten gewechselt. Habe Mikroskop und Antibiotika-Lösungen gegen das Mikrofon und Darmbakterien eingetauscht, und vom Fach der Darmkrebsforschung zur Darmgesundheit umgesattelt.
Seit beinahe acht Jahren beschäftige ich mich mit den Fragen: Was braucht unser Darm um sich wohl zu fühlen? Und wie wirkt sich ein „gesunder Darm“ auf den gesamten Menschen aus? Darüber referiere, unterrichte und berate ich…
Was kann man sich unter dem Begriff Darmgesundheit überhaupt vorstellen?
Schon Hippokrates sagte: “Der Tod sitzt im Darm“. Somit war bereits in der Antike bekannt, dass ein kranker Darm die Wurzel für viele Krankheiten darstellt. Kränkelt unser Darm, so geht dies meist mit einem gestörten intestinalen Mikrobiom (Darmflora) einher. Die Zusammensetzung der Darmbakterienflora entscheidet darüber, wie gut wir Nährstoffe aus unserer täglichen Nahrung aufnehmen können. Ob unsere Körperzellen ausreichend mit Spurenelementen und Vitaminen versorgt sind. Ob und wie gut unsere Immunleistung funktioniert. Ob wir in der Lage sind fremde/krankheitserregende Keime abzuwehren, oder eben nicht.
Gerät dieses mikrobielle Ökosystem aus den Fugen, so verlieren auch wir Menschen unsere Balance. Wir leiden an Blähungen, an einer trägen Verdauung. Die Stimmung schwankt. Wir fühlen uns elend. Sprechen wir also von „Darmgesundheit“, dann geht es um Bakterien. Idealerweise in möglichst hoher Dichte, in möglichst großer Diversität. Es geht um ein intaktes Schutzschild gegenüber Krankheitserregern und Allergenen, um eine optimale Resorption von Nährstoffen und eine regelmäßige Verdauung.
Wie wird unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden von unserer Darmgesundheit beeinflusst?
Jede/r von uns hat das schon erlebt: leiden wir an einer hartnäckigen Verstopfung, so ist uns nicht nach Scherzen zumute. Hat uns ein Magendarmvirus erwischt, ziehen wir uns lieber zurück, als uns unter Leute zu mischen. Wir fühlen uns einsam, depressiv. Das liegt daran, weil Darm und Gehirn ständig miteinander im Austausch sind. Die beiden kommunizieren ohne Unterlass. Dies funktioniert einerseits über den Vagus Nerv, ein Gehirnnerv, der unseren gesamten Körper durchspannt. Aber auch über Metabolite, die von den Darmbakterien gebildet werden, dazu zählen kurzkettige Fettsäuren, wie Butyrat. Und natürlich beeinflussen die Bakterien unser Wohlbefinden ebenso über die Resorption und Bildung von Vitaminen. Das beste Essen hilft uns wenig, wenn es an Darmbakterien mangelt, die dieses verwerten können… Zudem ist der Darm eine wahre Hormon-Fabrik.
Wie genau hängt die Darmgesundheit für uns Frauen mit unserem Wohlbefinden zusammen?
Für uns Frauen ist ein gesunder Darm aus vielerlei Hinsicht erstrebenswert. Wie erwähnt, ist der Darm an der Produktion von ungefähr zwanzig Hormonen beteiligt. Unter anderem Serotonin. Das Glückshormon. Mangelt es an Serotonin fühlen wir uns schwach, ist der Darm träge. Fehlt es am Glückshormon, mangelt es auch an Melatonin, dem Schlafhormone. Ob wir also gut gelaunt und ausgeschlafen sind, liegt nicht nur an der entsprechenden Schlafhygiene sondern auch andere Zusammensetzung unserer mikrobiellen Mitbewohner. Dann haben wir noch den Aspekt der Nährstoffaufnahme: Damit unser weiblicher Zyklus funktioniert brauchen wir jede Menge Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Eine ausgewogene Ernährung bildet den Grundstein.
Die Bakterienflora hat aber den Meißel in der Hand, um die Bausubstanz herauszuschlagen. Ich denke da an die B-Vitamine. Ich denke an Vitamin K. Aber auch an Vitamin C,… Außerdem zeigt sich, dass Frauen, die an PMS (Prämenstruellen Syndrom) leiden, häufig eine bakterielle Dysbalance aufweisen. Die Darmbarriere erfüllt ihren Schutzschildcharakter nicht mehr (Leaky Gut = Löchriger Darm), das Immunsystem reagiert über, es kommt zur Inflammation. Die Konsequenz: Spannungsgefühl in den Brüsten, Kopfschmerzen, Migräne, Verspannungen, depressive Verstimmungen. Die Liste ist unendlich lang.
Was hat die Darmgesundheit mit dem Kinderwunsch zu tun?
Dazu müssen wir uns die Verbindung von Darm- und Vaginalflora genauer ansehen. Obwohl in der Vagina der Frau eine ganz andere Bakterienzusammensetzung vorzufinden ist, verglichen mit dem Darm, gibt es hier ein bedeutungsschwangeres Abhängigkeitsverhältnis. Die Vaginalflora ist geprägt von Laktobazillen. Diese sind essenziell für ein saures Milieu. Wir finden hier – unter physiologischen Bedingungen – einen pH-Wert von 3,8 – 4,5. Dieser entsteht durch die Milchsäure-Produktion der Laktobazillen. Zudem sind die Bakterien hier dicht an dicht gepackt und machen pathogenen Einwanderern (E.coli oder Gardnerella) das Leben und Ausbreiten schwer.
Stress, Antibiotika, Saunabesuche, wechselnde Geschlechtspartner – all das kann zu einer Veränderung der vaginalen Flora führen. Die Frau leidet an Jucken und Brennen im Intimbereich, mitunter bemerkt sie auch einen unangenehmen Ausfluss. Für eine physiologische Vaginalflora braucht die Frau ausreichend Laktobazillen. Der Darm dient als Reservoir für diese Bakterien. Der Darm liefert die Bakterien für die Scheide. Darum ist eine artenreiche Darmflora unabdingbar, wenn wir von einer gesunden Scheidenflora sprechen.
Und wie kann der Kinderwunsch davon beeinflusst werden?
Die Wissenschaft zeigt, dass es einen Zusammenhang von Laktobazillen-Besiedelung und dem Eintreten von Schwangerschaften gibt. Die Bakterien sind hier nicht nur wichtig für die Einnistung, sondern auch für den Erhalt der Schwangerschaft. Bröckelt der Schutz durch Laktobazillen, können sich krankheitserregende Keime ausbreiten. Jede von uns hat bereits von solchen „aufsteigenden“ Entzündungen gehört…
Studien zeigen, dass Frauen mit einem Mangel an Laktobazillen im endomentrialen Milieu seltener schwanger wurden, bzw. tendenziell häufiger die Erfahrung einer Fehlgeburt machen mussten. Zudem interessant: Auch die Gesundheit der Spermien ist von Laktobazillen abhängig!
Was können Frauen bzw. Paare mit Kinderwunsch für ihre Darmgesundheit tun?
Wichtig ist es, für ausreichend Laktobazillen zu sorgen. Dies gilt für Mann und Frau. Möglich ist dies über die Anwendung von Multispeziesprobiotika. Es gibt gute Produkte, die mit Studien belegt sind. Wichtig ist es, beim Kauf auf eine hohe Keimzahl und eine Pulver-Formulierung zu achten. Neben der Anwendung von gekauften Synbiotika (probiotische Bakterien & präbiotische Matrix), rate ich dazu fermentierte Lebensmittel in den Speiseplan zu inkludieren. Denken wir an Sauerkraut, Joghurt, Kefir, Miso. Sauerteigbrot, Kimchi. Da hat der Kühlschrank einiges zu bieten. Es muss aber auch an die bestehenden Bakterien gedacht werden. Die benötigen Ballast-und Faserstoffe, um sich zu vermehren und wohlzufühlen. Je bunter das Mittagessen gestaltet wird, umso besser. Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) empfiehlt einen täglichen Ballaststoff-Verzehr von 30 g.
Orientieren kann man sich nach der mediterranen Ernährung. Das ist DIE Ernährungsweise für uns Frauen! Zur Enttäuschung vieler rede ich hier nicht von Pizza und Pasta, sondern von viel Obst, Gemüse, Olivenöl, Kräuter, Fisch, Vollkorn, Nüssen, Saaten,… Rotwein. Ein Tipp, der für Paare mit Kinderwunsch am schwierigsten zu beherzigen ist, ist jener der Stress-Reduktion. Denn es bedeutet unweigerlich Stress, wenn man sich ein Baby wünscht und Monat für Monat von der Periode überrascht wird. Reden hilft da. Sich Gutes tun ebenso.
Wozu ich nicht raten würde, ist traurig mit dem Eisbecher vor dem Fernseher zu landen. Zucker schadet der Darmflora. Fertiggerichte ebenso. Zu viel prozessiertes Fleisch: Auch. Alkohol: Ebenso. Ein Übermaß an tierischem Fett: Leider auch. Zudem mag der Darm Bewegung. Und das ist nicht nur gut für die Verdauung, sondern auch fürs Körpergefühl und die Stimmung. Als Yogalehrerin ist mein Tipp das Kultivieren einer regelmäßigen Yoga-Praxis. In Wirklichkeit ist aber alles erlaubt, was den Körper in Schwung und die Gedanken zur Ruhe bringt.
Was kann man tun wenn man, wie zum Beispiel zu den Feiertagen, übermäßig geschlemmt hat? Gibt es etwas, das man tun kann um der Darmgesundheit etwas Gutes zu tun?
Nicht zu streng zu uns selbst zu sein. Öfter zum Apfel greifen, statt zu den Krümeln der Kekse. Wasser trinken. Mehr Gerichte aus Gemüse zaubern. Das neue Jahr mit einer Probiotika-Kur starten. Und auf das Bauchgefühl hören. Das weiß in den meisten Fällen, was wir wirklich brauchen.

Dr. Eva Maria Hoffmann-Gombotz ist Expertin für Darmgesundheit